Aktuelles zur Varusforschung

Publikation einer Ritzinschrift

Freitag, 28. Dezember 2007

Scheidenmundblech mit RitzinschriftIn verschiedenen lokalen, aber auch überregionalen Presseorganen (nicht zu sprechen von den zahlreichen Internetforen) hat die Publikation einer Ritzinschrift auf dem Mundblech einer Schwertscheide durch Prof. Rainer Wiegels für Furore gesorgt. Auffällig ist, dass die Berichterstatter und Diskutanten den Beitrag von Wiegels anscheinend häufig gar nicht gelesen haben. Deshalb seien an dieser Stelle die wichtigsten Punkte von Rainer Wiegels zu dieser Ritzinschrift wiedergegeben:

  • Das Mundblech mit der Ritzinschrift wurde 1992 entdeckt.
  • Ritzinschriften sind eine problematische Quelle und nicht immer einfach zu lesen, da spätere Beschädigungen von absichtlich eingeritzten Buchstaben zu scheiden sind und eine Mehrfachbeschriftung nicht ausgeschlossen ist.
  • Die Lesung der ersten Zeile ist nach Wiegels sicher: T. Vibi(i) (centuria) Tadi(i). Das erste I in Tadi(i) ist unterpunktet, was bedeutet, dass die Lesung unter formalen Gesichtspunkten unsicher ist und inhaltlich erschlossen wurde. Wiegels übersetzt: „Besitz/Eigentum eines T(itus) Vibius aus der centuria eines Tadius“.
  • „Wesentlich problematischer, aber auch bemerkenswerter“ ist nach Wiegels die Lesung der zweiten Zeile: „Deutlich zu lesen ist die Buchstabenfolge LPA, dann wohl ein kleineres Zeichen in Form eines X sowie nicht genau als Buchstaben/Zeichen oder Kratzer zu deutende Spuren“. Wiegels möchte LPA folgendermaßen auflösen: l(egio) p(rima) A(ugusta). Die folgenden Zeichen „XLX (?)“ löste Wiegels vermutungsweise als „(denarios) LX (?)“ auf.
  • Die spanische Wissenschaftlerin García-Bellido wollte auf dem Kongress in Osnabrück, wo Wiegels den abgedruckten Vortrag im Juni 2004 hielt, das erste X gleichfalls als Wertzeichen für Denare ansehen.
  • Ferner denkt Wiegels die Möglichkeit an, dass das X für eine Kohorte steht und dass es sich bei den folgenden Zeichen nicht um bewusste Einritzungen handelt. Das Fehlen der Buchstaben C, CH oder CHO führt bei Wiegels allerdings zu der Erkenntnis, dass es sich wohl nicht um eine Kohorten-Abkürzung handelt.
  • Für die historische Einordnung der Inschrift geht Wiegels von „Kalkriese als Kampfplatz im Kontext der Varus-Niederlage 9 n.Chr.“ aus: „Kritische und willkommene Infragestellung dieser Zuordnung haben nicht nur zur Schärfung der Argumentationsstränge beigetragen, sondern vor allem auch in methodischer Hinsicht neue Horizonte eröffnet“.
  • Gleichzeitig weist Wiegels darauf hin, dass auf dem Kongress in Osnabrück (Juni 2004) auch von den anwesenden Kritikern „keine ernsthaften Einwände gegen die Datierung der Fundplatzes Kalkriese in das Jahr 9 n.Chr. vorgebracht“ wurden. Nach wie vor offen ist nach Wiegels „die Klärung und das Verständnis des genauen und konkreten Kontextes der Funde und Befunde [von Kalkriese] mit der Varusschlacht“. Angemerkt sei von meiner Seite, dass besagte Kritiker selbstverständlich auch die Deutung der Ritzinschrift mitverfolgten und in dem Fund kein Hindernis für die von Wiegels vorgenommene chronologische Einordnung des Fundplatzes Kalkriese sahen.
  • Nach einer Rekapitulation der Forschung bezüglich der Geschichte der Legio I (Augusta) fasst Wiegels zusammen, dass die Legion 19 v.Chr. nicht aufgelöst, sondern lediglich mit Entzug des Beinamens Augusta entehrt worden war, und dass die Einheit bis in die tiberische Zeit hinein fortbestand und spätestens 6 n.Chr. in Mainz stationiert war: „Akzeptiert man [dies], bleibt zu fragen, wie sich hier unsere Inschrift auf dem Mundblech einordnet, das fast drei Jahrzehnte nach Aberkennung des Beinamens Augusta in den Boden geraten sein dürfte“.
  • Mögliche Erklärungen für das Mundblech in Kalkriese:
    1. Der entsprechende Soldat ist bereits 30 Jahre im Dienst und gehörte früher der Legio I Augusta an.
    2. Ein Detachement der Legio I, unter Umständen in Kohortenstärke, gehörte zu den bei Kalkriese vernichteten Einheiten.
  • Beide Möglichkeiten werden bei Wiegels ausführlich diskutiert.
  • Zuletzt spricht sich Wiegels gegen die Ansicht aus, dass der Fund die Datierung des Kampfplatzes von Kalkriese in irgendeiner Weise entscheidend ändern könnte.
  • Dr. Krešimir Matijević



    Abb. 1: Scheidenmundblech (Rückseite) mit Ritzinschrift.

    Scheidenmundblech mit Ritzinschrift



    Abb. 2: Umzeichnung des Scheidenmundbleches (Rückseite) mit Ritzinschrift.

    Umzeichnung des Scheidenmundbleches mit Ritzinschrift



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