Militaria
Die Waffen werden üblicherweise in Schutz- und Angriffswaffen unterteilt. Alle passiven Teile der militärischen Ausrüstung werden als Schutzwaffen bezeichnet. Alle Teile, die wie Wurfspeer (pilum) oder Schwert (gladius) als Fern- oder Nahkampfwaffen eingesetzt wurden, sind Angriffswaffen.
Römischer Legionär (1. Hälfte 1. Jh. n.Chr.)
Reste dreier Miltärsandalen. Das linke Exemplar von unten, die beiden übrigen caligae von oben bzw. innen gesehen.
Schutzwaffen
Der Helm (cassis) ist in Kalkriese durch eiserene und bronzene Helmbuschhalter bzw. -träger, bronzene Helmknäufe und einen bronzenen Tragering (unten links) nachgewiesen.
Zu Helmen des sog. Typus Weisenau, benannt nach dem Fundort Mainz-Weisenau, gehören gabelförmige Helmbuschhalter, die zur Aufnahme und Befestigung des Helmbusches aus Rosshaar dienten. Charakteristisch für diesen Helmtypus ist ferner der Stirnbügel und der ausladende, waagerechte Nackenschutz, wobei sich auf dem Helm eine bronzene Tülle zur Befestigung des Helmbuschhalters befindet. Helme dieses Typus sind u.a. in den frühaugusteischen Lagern von Dangstetten und Oberaden als auch im spätaugusteischen Lager von Haltern belegt.
Eiserner Helmbuschträger (links) und bronzener Tragegriff eines Helms. - H. des Helmbuschträgers: 7,5 cm bzw. 8,1 cm.
Eiserner Infanteriehelm vom sog. Typus Weisenau aus Oberaden. - L. 32,0 cm; H. 16,5 cm. - Westfälisches Museum für Archäologie Münster.
Eiserner Helmbuschträger vom Typ Weisenau mit Bajonettverschluß. - L. 8,9 cm.
Mehrere, massiv gegossene, kegelförmige Helmknäufe aus Kalkriese können Helmen des sog. Typus Hagenau, benannt nach dem Fundplatz und in das 1. Jh. n.Chr. datiert, zugewiesen werden. Helme dieses Typus bestanden aus Bronze, besaßen eine halbkugelige Kalotte, auf deren Mitte oben bei vielen Exemplaren ein gleichartiger massiver Knauf entsprechend den Stücken aus Kalkriese aufgelötet war, einen Stirnbügel, einen Nackenschutz und Wangenklappen. Im Unterschied zu den glatten, völlig geschlossenen Knäufen (unten links), besitzen andere Knäufe dieses Helmtypus Löcher und Schlitze zur Befestigung eines Helmbusches aus Rosshaar. Anzunehmen ist, daß Helme mit geschlossenen Knäufen einfachen Legionären und Helme mit geschlitzen Knäufen ranghöheren Offizieren der römischen Infanterie zuzuweisen sind.
Helmbuschhalter eines Helms vom Typus Hagenau. Massiv gegossen, kegelförmig, unten eingezogen. Bronze. - L. 3,1 cm.
Helm vom Typ Hagenau aus Haltern. Bronze. - Nach: G. Waurick in: Antike Helme. Sammlung Lipperheide und andere Bestände des Antikenmuseums Berlin. Röm.-Germ. Zentralmus., Monogr. 14 (Mainz 1988) 328 Abb. 1.2.
Helmbuschhalter eines Helms vom Typus Hagenau. Massiv gegossen, kegelförmig, unten eingezogen. Bronze. - L. noch 2,6 cm.
Der Panzer (lorica), der den Oberkörper des Soldaten schützte, ist in Kalkriese durch den Kettenpanzer (lorica hamata) und den Schienenpanzer (lorica segmentata) belegt.
Rekonstruktion eines Schienenpanzers des Typus Corbridge A (Zeichnung P. Conolly) aus dem sog. Corbridge Hoard, der 1964 im Kastell Corbridge, Northumberland (GB), gefunden wurde.
Brustplatte eines Schienenpanzers (lorica segmentata) mit Schnalle, Scharnier und Einfassung sowie Lederresten von den Verbindungsriemen. Eisen/Bronze. - L. 18.8 cm; B. max. 13,5; St. 0,1-0,3 cm.
Der Schienenpanzer bestand aus zwei Hauptteilen: den Gürtelschienen und den Schulterschienen. Gürtelschienen waren die sieben bis acht übereinandergereihten Eisenbänder an Vorder- und Rückseite, die durch auf Lederriemen aufgenietete Scharnierchen und Schnallen und vorn durch horizontal angebrachte Schnürhaken zusammengehalten und geöffnet werden konnten.
Der Kettenpanzer bestand aus ca. 30.000 Ringen, die z.T. geschlossen (circuli), z.T. vernietet (hami) und untereinander verbunden waren. Der Kettenpanzer hatte Schulterklappen, die, nach vorne geführt, mit einer Schließe aus S-förmigen Haken zusammengehalten wurden. Mehrere solcher Schließen wurden in Kalkriese gefunden. Die Lesung und Deutung der eingepunzten Inschrift einer Schließe könnte bedeuten, daß der Legionär M. Aius (der Besitzer der Schließe) in der ersten Cohorte (prima cohors) und der Centurie des Fabricius diente. Somit wäre erwiesen, daß zumindest ein Teil der Kerntruppe (= erste Cohorte) einer Legion in Kalkriese anwesend und wahrscheinlich in Kämpfe verwickelt war. Auch wird hierdurch deutlich, daß die Kettenpanzer nicht nur von Fußsoldaten der Hilfstruppen und von Reitern, sondern auch von Legionären getragen wurden.
Bronzene, jeweils aus zwei Haken bestehende Schließen zum Zusammenhalten der Schulterstücke eines Kettenpanzers vor der Brust. - L. des Hakens unten links: 5,4 cm.
Zwei bronzene, S-förmige Haken einer Schließe von einem Kettenpanzer. Rückseite mit je einer Punz- und Ritzinschrift versehen. - M. 1:1
Bronzene Scharniere und Schnallen von Schienenpanzern; Schnalle mit Scharnier oben links silberplattiert, der Rest z.T. verzinnt. - L. der kleinen Schnalle einschl. Scharnier: 4,2 cm.
Der Ledergürtel (cingulum) bestand aus zwei, später aus einem Lederriemen und war mit einfachen, meistens jedoch versilberten oder verzierten Beschlägen versehen. Er wurde mit einer oder zwei gegossenen dekorativen Bronzeschnalle(n) mit eingerollten Bügelenden verschlossen.
Zwei bronzene Schnallen vom cingulum. Die Schnalle rechts weist Reste von Silberplattierung auf. - L. der Schnalle rechts: 2,4 cm.
Ein aus drei bis acht Lederstreifen bestehender Schurz als Schutz für den Unterleib hing vor der Körpermitte vom Gürtel herab. Die Lederriemen waren mit kleinen Bronzeplättchen unterschiedlicher Form sowie mit Endbeschlägen besetzt. 16 rechteckige Bronzeplättchen und ein Riemenendbeschlag sowie einzelne Bronzeplättchen verschiedener Form wurden in Kalkriese gefunden.
Hängeschurzbesatz aus silberplattierter Bronze. - L. des Riemenendbeschlages: 2,90 cm.
Verschiedene Lederbeschläge, wahrscheinlich von der soldatischen Ausrüstung. Silberplattierte Bronze. - L. der Platte links unten: 4,5 cm.
Angriffswaffen
Hauptbestandteile der Nahkampfbewaffnung waren das Schwert (gladius) und der Dolch (pugio).
Der gladius war ein 50-60 cm langes zweischneidiges Kurzschwert, das am Gürtel auf der rechten Seite getragen wurde. Seine Seiten liefen geradlinig parallel, und auf der Angel saß ein profilierter Griff mit kugeligem Knauf aus Bein oder Holz. Zwei an der Scheide angebrachte Klammern besaßen rechts und links je eine Ausbuchtung, an denen je ein kleiner Bronzering angebracht war. An den Ringen waren die Riemen, in denen das Schwert eingehängt war, befestigt. Bei der Prospektion und den Grabungen in Kalkriese wurden mehrere solcher Schwertscheidenklammern gefunden. Erhalten geblieben sind nur die Metallteile der Scheide, die organischen Reste aus Leder und Holz sind vergangen.
Im Mai 1996 wurden bei der Prospektion eine große Zahl silberner Bruchstücke entdeckt, die sich schnell als Teile einer silberbeschlagenen Schwertscheide erwiesen: Drei Klammern, das Ortband mit dem Ortbandknopf, diverse Beschlagbänder. Zu diesen Schwertscheidenbeschlägen kamen noch einige Teile des Gürtels. Alle Metallteile sind aus massivem Silber, in die Scheidenklammern sind Halbedelsteine eingelegt, ein Achat und eine Granatgemme, der dritte fehlt. Die Einzelteile lassen sich wie auf der nebenstehenden Abbildung rekonstruieren, wobei Untersuchungen der letzten Zeit gezeigt haben, daß in dem Dreieck, welches vom Ortband gebildet wird, noch dünne Stäbe ein feines Gittermuster bildeten. Leider fehlt des Scheidenmundblech, das die obere Öffnung umfaßt und meist das am aufwendigsten verzierte Teil der Schwertscheide ist.
Fragmente einer römischen Schwertscheide aus Kalkriese in einer idealtypischen Rekonstruktion.
Oben links: Granatgemme.
Schwertscheidenklammern aus Bronze. - L. der größeren Klammer (unten): 9,3 cm.
Klammer einer Schwertscheide. Silber (Klammer) /Achat (Schmuckstein für Fassung). - L. 9,3 cm.
Die massive Wurflanze (pilum) bestand im Vorderteil aus einem etwa 1 m langen dünnen Schaft aus Weicheisen, der in einer massiven pyramidenförmigen Spitze endete. Der metallene Schaft lief in einer Zunge aus, die in einer vierkantigen, trapezförmigen Verdickung des im hinteren Teil anschließenden Holzschaftes mit Nieten befestigt war. Diese Verdickung wurde z.T. durch eine entsprechend geformte eisene Zwinge verkleidet. Mehrere dieser Zwingen wurden in Kalkriese gefunden.
Pilumspitze. Eisen. - L. noch 16,9 cm
Pilumzwingen. Eisen. - H. 4,8 cm.
Gefunden wurden außerdem Lanzenschuhe, Lanzenspitzen, Geschoßbolzen und die fragmentierte Klinge eines Dolches.
Die in verschiedenen Größen in den römischen Kastellen vorkommenden Lanzenspitzen können bis heute in ihrer Funktion im einzelnen nicht sicher bestimmt werden. Die Lanze war generell eine Waffe der Hilfstruppen. Es wird angenommen, daß kleine Lanzenspitzen von den Reitern in einem Köcher mitgeführt und mittels einer Lederschlaufe abgeschossen wurden. Lanzenspitzen mittlerer Größe könnten zur Ausrüstung der Leichtbewaffneten gehört haben, wohingegen die großen Lanzenspitzen den Stoßlanzen der Reiterei zugerechnet werden müßen. Um ein Aufsplittern der Enden der Holzschäfte von Lanzen und pila zu verhindern, waren sie mit kegelförmigen Eisentüllen, den sog. Lanzenschuhen, beschlagen.
Zwei Geschoßbolzen, ein Lanzenschuh, drei Lanzenspitzen und fragmentierte Klinge eines Dolches (von links nach rechts). Eisen. - L. der größten Lanzenspitze: 20,5 cm.
Die Schleuder (funda) gehörte mit Pfeil und Bogen (sagitta und arcus) zu der Ausrüstung der Auxiliartruppen und damit zu Spezialverbänden mit eigener Nationalidentität. Die funda war eine einfache Handschleuder aus Lederriemen mit erweitertem Mittelteil für die Schleudergeschosse, die aus Ton, Blei oder Stein gefertigt waren. Da keine antiken Handschleudern erhalten sind, wird die Konstruktion antiken Quellen und bildlichen Darstellungen wie z.B. einem Relief der Traianssäule in Rom entnommen.
Schleudergeschosse aus Blei (glandes plumbeae). - L. des Exemplars unten links: 3,7 cm.
Legionäre auf dem Marsch. Relief (Detail) der Traianssäule in Rom. Die Traianssäule ist ein Denkmal, das in einem spiralförmig angelegten Reliefband von über 200 m Länge die dakischen Feldzüge der Jahre 101/102 n.Chr. und 105/106 n.Chr. zeigt.
Drei Schleuderer (funditores) auf einem Relief (Detail) der Traianssäule in Rom.