Einleitung und Projektbeschreibung

Kalkrieser-Niewedder SenkeSeit 1987 werden in der Kalkrieser-Niewedder Senke am Nordrand des Wiehengebirges im Osnabrücker Land archäologische Untersuchungen zur Erforschung eines antiken Kampfplatzes durchgeführt. Seit 1989 in der Trägerschaft des "Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e.V.", obliegt seit 1998 die wissenschaftliche Verantwortung für das Forschungsprojekt Kalkriese derzeit dem Fach Alte Geschichte der Universität Osnabrück, wobei die Ausgrabungen organisatorisch der "Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH - Museum und Park Kalkriese" zugeordnet sind. Der Hauptfundplatz befindet sich in einem etwa 6 km langen und an der schmalsten Stelle lediglich 1 km breiten Engpass zwischen dem Großen Moor im Norden und dem Kalkrieser Berg im Süden.
Aufgrund der archäologischen Forschungsergebnisse scheint die Fundregion Kalkriese im Kontext der clades Variana, der Niederlage des Varus im saltus Teutoburgiensis im Jahre 9 n.Chr., zu stehen, zumindest lässt sich die archäologisch dokumentierte Befund- und Fundsituation kaum in eine andere Richtung schlüssig interpretieren. Hierauf deutet schon die bei Prospektionen und Ausgrabungen im Engpass und in seinem trichterförmigen östlichen Vorfeld ermittelte, enorm großräumige Fundstreuung hin, welche die Ausdehnung des Fundplatzes Kalkriese - derzeit ca. 30 km² - noch nicht absehen lässt. Hinzu kommen die festgestellte Funddichte, die Dominanz von Münzen und vor allem von Militaria im Fundspektrum Kalkrieses, die Existenz eines mit den Funden zeitgleichen 400 m langen Rasensodenwalles, der als germanische Befestigungsanlage angesprochen und als Ausgangsstellung für germanische Angriffe in die Flanke der römischen Marschformation gedeutet wird, nicht zuletzt jedoch die eindeutige Münzdatierung des Fundkomplexes in das Jahr 9 n.Chr. In vorsichtiger Zurückhaltung ist aber zu bedenken, dass der Fundplatz Kalkriese noch einige Überraschungen bzw. Parallelargumente zu den bisher vorgebrachten verborgen halten kann. Die Zahl der von Mitte 1987 bis Ende 2006 bei der systematischen Prospektion und den Sondagegrabungen in der Region Kalkriese sowie den Flächengrabungen auf dem Oberesch geborgenen römischen Funde, einschließlich der 205 belegten Altfunde (mit einer Ausnahme ausschließlich Münzen), beläuft sich derzeit auf mehrere Tausend Objekte, darunter etwa 4000 Militaria und 1700 römische Fundmünzen.
Die Funde selbst sind lediglich in der Lage, ein punktuelles Ereignis zu dokumentieren; sie vermögen jedoch nicht - ihrem Quellencharakter entsprechend - einen historischen Kontext herzustellen, in den das punktuelle Ereignis des Jahres 9 n.Chr. einzuordnen wäre. Deshalb kann eine sachgerechte Bewertung des spektakulären Geschehens nur eingedenk seines historischen Bedingungsrahmens erfolgen, nämlich der augusteisch-frühtiberischen Phase römischer Germanienpolitik und ihrer Ziele, Voraussetzungen und Bedingungen. Siehe hierzu den hier publizierten Beitrag von K. Matijević (OOB 11/2006).
Die Einzigartigkeit von Kalkriese dokumentiert sich jedoch insbesondere in archäologisch-methodischer Hinsicht: Das Forschungsprojekt stellt ein bis dato beispielloses "archäologisches Experiment" dar, in dem fortschreitend die methodischen Grundlagen der wissenschaftlichen Erforschung Kalkrieses als eines Kampfplatzes bisher nicht gekannter Größenordnung entwickelt werden müssen.
Als Reflex darauf wirken zahlreiche Forschungsdisziplinen bei der wissenschaftlichen Bearbeitung der Funde und Befunde von Kalkriese interdisziplinär zusammen. Weiterhin wird in Kalkriese - ähnlich wie in Pompeji 79 n.Chr. - ein fest datierbarer Moment der antiken Geschichte greifbar, der beispielsweise neue Erkenntnisse hinsichtlich der chronologischen Einordnung von Funden bzw. Fundzusammenhängen verspricht. Letztlich eröffnet die Gegenüberstellung und wechselseitige Infragestellung von literarisch-historiographischen Quellen und neu entdeckten archäologischen Überresten die Chance weiteren Erkenntnisgewinns, zumindest einer Neupointierung gewisser Aspekte im weiteren archäologischen, historischen und numismatischen Kontext der clades Variana. Mehrere interdisziplinär und international besetzte Kongresse bzw. Kolloquien, welche vom Fach Alte Geschichte an der Universität Osnabrück organisiert sowie durchgeführt und deren Ergebnisse publiziert worden sind, haben dies erwiesen:

"Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese I" vom 02.09. bis 05.09.1996,

"Die Fundmünzen von Kalkriese und die frühkaiserzeitliche Münzprägung" vom 15.04. bis 16.04.1999,

"Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese II" vom 10.06. bis 12.06.2004.

Ein weiterer, internationaler Kongress wird vom 15.09 bis zum 19.09.2009 vom Fach Alte Geschichte an der Universität Osnabrück ausgerichtet.


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