Ausgrabungen in Kalkriese

Ausgrabungsort Kalkriese

Luftbild der Kalkrieser-Niewedder Senke vom 22.10.1991. Blick von Osten. Links der Kalkrieser Berg, am Fuß des Berges die B 218 und am rechten Bildrand die Alte Heerstraße. - NLVwA-Institut für Denkmalpflege Hannover. Aufnahme: Otto Braasch; Archivnr.: 3514/004-1; 1141,3. Die Kalkrieser-Niewedder Senke liegt auf der Grenze zwischen dem Norddeutschen Tiefland und dem Weserbergland, zwei aufgrund unterschiedlicher geographischer Verhältnisse deutlich gegeneinander abgesetzter Großlandschaften. Die in dem Engpaß aneinanderstoßenden Landschaftsgebiete sind das Bersenbrücker Land und der westlichste Teil des Weserberglands, das Osnabrücker Hügelland. Die Teillandschaften "Kalkrieser Berg" und "Großes Moor" liegen sich nur durch die Senke voneinander getrennt gegenüber. Der durch diese Oberflächengestaltung und Bodenentwicklung geschaffene Engpaß erstreckt sich sanduhrförmig über 6 km in West-Ost-Richtung und ist in der Mitte ca. 1 km, an den Enden jeweils 2,5 km breit.

Luftbild der Kalkrieser-Niewedder Senke vom 22.10.1991. Blick von Osten. Links der Kalkrieser Berg, am Fuß des Berges die B 218 und am rechten Bildrand die Alte Heerstraße. - NLVwA-Institut für Denkmalpflege Hannover. Aufnahme: Otto Braasch; Archivnr.: 3514/004-1; 1141,3.


Geologischer Schnitt A-B durch die Kalkrieser-Niewdder SenkeGeologischer Schnitt A-B durch die Kalkrieser-Niewdder Senke. Vereinfachte Darstellung nach: Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung (Hrsg.), Geologische Karte von Niedersachsen 1:25 000, Erläuterungen zu Blatt 3514 Vörden (Hannover 1984). Gezeichnet mit 25-facher Überhöhung. - 1 Festgestein. - 2 Hangsand. - 3 Niederungssand. - 4 Flugsand. - 5 Torf. - 6 Niederungsschluff.



Der durch diese Oberflächengestaltung und Bodenentwicklung geschaffene Engpaß erstreckt sich sanduhrförmig über 6 km in West-Ost-Richtung und ist in der Mitte ca. 1 km, an den Enden jeweils 2,5 km breit. Die ergiebigste Fundstelle in der Senke ist der so genannte  Oberesch , eine ehemals landwirtschaftlich genutzte Fläche in der Hangsandzone.


Kalkrieser-Niewedder Senke. Oberesch mit Höhenlinien, Grabungsschnitten I-XXIIKalkrieser-Niewedder Senke. Oberesch mit Höhenlinien, Grabungsschnitten I-XXII, dem Wall mit schematisch wiedergegebenem Verlauf von Rasensodenmauer und Drainagegraben, der der Befestigung gegenüberliegenden grundwasserbeeinflußten Niederung sowie - östlich des Grabungsbereiches - den durch Bohrungen ermittelten Höhenlinien der alten Oberfläche (Stand 1993).


Luftbild des Obereschs vom 08.07.1992 mit den Grabungsschnitten XIX und XXLuftbild des Obereschs vom 08.07.1992 mit den Grabungsschnitten XIX und XX. In dem noch landwirtschaftlich genutzten Drittel des Obereschs zeichnen sich als dunkle Verfärbungen eine Quellmulde und eine Wasserrinne ab, die auch das Relief der anhand von Bohrsondagen ermittelten alten Oberfläche prägen. - NLVwA-Institut für Denkmalpflege, Hannover, Aufnahme: Otto Braasch; 3514/004-1; 1157.



Der ursprünglich durch trockene Hangsande charakterisierte und damit besiedelbare Bereich des Obereschs umfaßte lediglich 1,5 bis 2 ha, d.h. nur ein Viertel bis ein Drittel des heutigen Flurstücks. Die vorgeschichtliche bäuerliche Besiedlung begann nach Ausweis der Grabungsfunde im 3. Jahrtausend, d.h. während der Jüngeren Steinzeit, und endete, wobei man allerdings nicht von einer kontinuierlichen Besiedlung ausgehen darf, in der ersten Hälfte des 1. Jhs. v.Chr. Die Siedlungsfläche scheint aber weiterhin waldfrei geblieben und daher wohl landwirtschaftlich genutzt worden zu sein.

Geologischer Schnitt durch den Oberesch

Legende



Die naturräumlichen Gegebenheiten - eine beiderseits von Bachtälern flankierte Verengung der Hangsandzone auf etwa 80 m zwischen einem staunassen Ausläufer des Kalkrieser Berges und einer Quellmulde - eigneten sich bezogen auf den über die Hangsande verlaufenden West-Ost-Weg für den Aufbau eines Hinterhalts im Bereich des späteren Obereschs. Die Ausläufer des Kalkrieser Berges wurden, soweit nachweisbar, zur Hangseite hin durch eine Rasensodenmauer verstärkt. Der Verlauf der Mauer, die im ausgegrabenen Bereich unmittelbar vor der Festgesteinkante errichtet worden war, orientierte sich vermutlich an der Waldkante, da anzunehmen ist, daß der Sporn des Kalkrieser Berges noch bewaldet war.


Geologischer Schnitt durch den ObereschGeologischer Schnitt durch den Oberesch in Verbindung mit einer schematischen Darstellung der Nutzung des Geländes in ihrem Wandel von der ausgehenden Vorrömischen Eisenzeit bis heute (nicht maßstäblich). - a Festgestein (Kalkrieser Berg). - b Hangsand. - c Niederungssand. - d Plaggenesch.




In der Zeit danach wurde das Gebiet, das gilt zumindest für den Oberesch, nicht wieder besiedelt. Aus einem langen Zeitraum, der erst im späten Mittelalter um 1300 endete, fehlen Spuren menschlicher Anwesenheit. Wie zahlreicheiche Baumwurfgruben nahelegen, die jünger als der Wall, aber älter als der Esch sind, kam es zumindest zeitweise zu einer Wiederbewaldung.



Geologischer Schnitt durch den ObereschGeologischer Schnitt durch den Oberesch in Verbindung mit einer schematischen Darstellung der Nutzung des Geländes in ihrem Wandel von der ausgehenden Vorrömischen Eisenzeit bis heute (nicht maßstäblich). - a Festgestein (Kalkrieser Berg). - b Hangsand. - c Niederungssand. - d Plaggenesch.




Außerdem bildete sich während dieser Zeit ein neuer Boden: es entstand ein Podsol (Bleicherde), der, wie Reste auf den Wallflanken vermuten lassen, auch über den Wall hinweglief. Die Kulturschicht der vorgeschichtlichen Besiedlung hatte sich lediglich unter dem Wall erhalten.
Die Anfänge des Obereschs im 13./14. Jh. lassen sich anhand von Keramikfunden an der Unterkante der Plaggenaufträge festlegen. Die Ackerfläche beschränkte sich zunächst auf die bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelte und wirtschaftlich genutzte trockene Hangsandfläche, d.h. der Kernesch wird eine Größe von 1,5 bis 2 ha nicht überschritten haben. Der Wall bildete - zumindest in den ausgegrabenen Bereichen - die Grenze der Eschfläche gegenüber dem Sporn des Kalkrieser Berges.


Geologischer Schnitt durch den ObereschGeologischer Schnitt durch den Oberesch in Verbindung mit einer schematischen Darstellung der Nutzung des Geländes in ihrem Wandel von der ausgehenden Vorrömischen Eisenzeit bis heute (nicht maßstäblich). - a Festgestein (Kalkrieser Berg). - b Hangsand. - c Niederungssand. - d Plaggenesch.




Eine Erweiterung der Anbaufläche auf die feuchten bis nassen Böden nördlich, östlich und südlich des Kerneschs wird erst nach der Frühen Neuzeit (16./17. Jh.) stattgefunden haben. Mit der Einbeziehung der Kuppe in die Ackerfläche ist nicht vor der zweiten Hälfte des 18. Jhs. zu rechnen. Im Zuge dieser Kultivierungsarbeiten ist die Wallkrone zwar abgepflügt, aber der flache Rest der Befestigung, einschließlich der von ihm bedeckten und umschlossenen Funde, unter den Plaggenaufträgen gut konserviert worden.


Geologischer Schnitt durch den ObereschGeologischer Schnitt durch den Oberesch in Verbindung mit einer schematischen Darstellung der Nutzung des Geländes in ihrem Wandel von der ausgehenden Vorrömischen Eisenzeit bis heute (nicht maßstäblich). - a Festgestein (Kalkrieser Berg). - b Hangsand. - c Niederungssand. - d Plaggenesch.




Nach dem Beginn der archäologischen Untersuchungen 1988 wurde bei den einzelnen Schnitten zum Abtragen des Esches ein Bagger eingesetzt. Alles weitere wurde vorsichtig mit Schaufeln in gleichmäßigen Schichten bis zum anstehenden Sand abgegraben. Bei allen Abtragungsarbeiten wurde zur Sicherheit das Metallsuchgerät eingesetzt.


Alle Schichten werden mit dem Metallsuchgerät kontrolliert, um die meistens sehr kleinen Objekte beim Schaufeln nicht zu beschädigen oder zu übersehen und um sie nicht Raubgräbern zu hinterlassen, die gelegentlich auch vor dem Absuchen der Grabungsflächen nicht zurückschrecken.













Bei der Grabung werden die Flächen ebenso wie die Profile der zwischen den Schnitten stehengebliebenen Stege durch Fotos und Zeichnungen dokumentiert.














Die Fortsetzung der Drainagegräben ist auch in der Grabungsfläche von 1992 am linken Bildrand deutlich zu sehen. Rechts oben zeichnet sich als schwarzes Rechteck die Stelle ab, an der im März 1992 die Reste eines römischen Maultieres geborgen werden konnten. Die kleinen dunklen Flächen im Drainagegraben markieren Stellen, an denen Metallfunde entnommen worden sind; das Loch wird mit dunklem Erdboden verfüllt, um es für die weiteren Grabungsarbeiten als moderne Störung zu markieren.



Bei der Grabung werden die Flächen ebenso wie die Profile der zwischen den Schnitten stehengebliebenen Stege durch Fotos und Zeichnungen dokumentiert.



Ein Beispiel für den Profilaufbau des Oberesches zeigt der Schnitt VII:


Schnitt VII











Kalkriese, Oberesch, Schnitt VII, Profilaufbau:
a) Dunkelbrauner, gepflügter und gedüngter Eschhorizont.
b) hellbrauner, von der heutigen Landwirtschaft nicht mehr erreichter Eschhorizont.
c) Bleichhorizont des alten Podsols (der alte humusreiche Oberboden des Podsols ist durch Einarbeitung im Eschhorizont aufgegangen).
d) Anreicherungshorizont, in dem das aus dem Bleichhorizont ausgewaschene Material zum größten Teil wieder gebunden ist.



Bei der Vorbereitung einer neuen Grabungsfläche kam am 30.3.1992 ein interessantes Fundensemble ans Tageslicht. Mit Hilfe des Metallsuchgerätes wurden relativ nahe beieinanderliegend Knochen, Eisen und Bronzefragmente erfaßt. Insgesamt ergab sich folgendes Bild: Von einem Maultier fanden sich Teile des Schädels, der Wirbelsäule und eines Schulterblattes. Mit der rechten Schädelhälfte lag das Tier auf dem Untergrund auf. Erhalten waren vom Schädel vor allem die Zähne, die in Reihen nebeneinander lagen und eine geschlossene Maulstellung zeigten. Von der rechten - unten liegenden - Schädelseite waren auch Teile der Unter- und Oberkieferknochen erhalten; die linke - oben liegende - Schädelhälfte wies nur noch stark zerstörte Reste von Kieferknochen auf.


GrabungsflächeIn der Grabungsfläche wird eine Ansammlung von Funden sichtbar: neben Bronze- und Eisenteilen kommen auch Tierzähne und Knochen zum Vorschein.



Nach Abtragen des SandesÜbersichtsfoto nach dem weiteren Abtragen des Sandes. Das Bronzeobjekt ist eine Glocke. Unter der anfangs sichtbaren Zahnreihe ist eine weitere zu erkennen.



Vom vorderen Bereich des Maules nahe den Schneidezähnen ging ein etwa 60 cm langer, doppelter Strang von Eisenkettengliedern aus. Dieser konnte aufgrund von Röntgenaufnahmen als Kette mit achtförmigen Gliedern sowie Trense interpretiert werden.


Röntgenfoto der EisenketteRöntgenfoto der Eisenkette, auf dem die achtförmigen Kettenglieder und ein Teil der Trense (Ring und zweiteiliges Mundstück) zu erkennen sind.



Detail Eisenkette und ZähneDetail der Eisenkette (Mitte) und der Zähne (oben). Die Schneidezähne am Kettenende sind mit Mullstückchen gefestigt worden.



Umgeben von einigen größeren Eisenringen lag in der Nähe des anderen Kettenendes ein ca. 20 cm langer und 10 cm breiter Gegenstand mit Öse, eine bronzene Glocke mit eisernem Klöppel.


Detailfoto FreilegungDetailfoto bei der Freilegung: links im Bild die Glocke, oben Wirbelknochen, die mit Hilfe kleiner Holzstäbe im Verband gehalten werden. Vor den Knochen liegt ein Phallusamulett.



Vierkantige GlockeVierkantige Glocke, herzfömiger Anhänger mit Tierkopfhaken, Phallusanhänger, kleiner herzförmiger Anhänger (Fragment), Beschlag, zwei (von weiteren drei) Glasperlen, kleines (von weiteren drei) Plättchen. Bronze/Glas - L. der Glocke 16, 6 cm.




Weitere spektakuläre Funde waren die Maske eines Gesichtshelms und eine große eiserne Pionieraxt (dolabra).


Pionieraxt (links) und Gesichtsmaske (rechts)Trotz zahlreicher Rostblasen ist die große eiserne Pionieraxt (dolabra) bei der Auffindung (links) schon als Axt zu erkennen, während die Gesichtsmaske zunächst nur ein undefinierbarer Rostklumpen ist.



Eiserne Pionieraxt (dolabra)Pioniergerät: dolabra mit ovalem 'Auge' und viereckigen Schaftlochklappen. Eisen. - L. 53,0 cm. - Im Bild unten das Blatt einer eisernen Sichel mit z.T. erhaltenem Griffansatz.



Maske eines GesichtshelmsEiserne, ursprünglich mit Silberblech überzogene Maske eines Gesichtshelms.- Höhe: 16,9 cm. Tiefe: 8,2-8,4 cm.






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