Theodor Mommsen

Die Örtlichkeit der Varusschlacht



Theodor Mommsen"Die Venner Gegend bietet die Vereinigung von Bergen und Mooren, die die Berichte fordern. Dass hier marschirende Truppen Bohlwege zu schlagen hatten, liegt nahe; und noch näher, dass die schliessliche Katastrophe hier herbeigeführt ward durch die Einkeilung der Armee zwischen Bergen einer- und Mooren andererseits. Vor allem aber entspricht die Örtlichkeit den natürlichen Communikations- verhältnissen. Unter den gegebenen Bedingungen, dass der Marsch von der mittleren Weser ausgeht und nicht die Richtung über den Lauf der Lippe einschlägt, aber als letztes Ziel den unteren Rhein im Auge behält, können bei der eigenthümlichen, durch die ausgedehnten und jeder künstlichen Überbrückung spottenden Moore bedingten Beschaffenheit des fraglichen Terrains nur zwei alte von der Weser westwärts führende Communicationslinien in Betracht kommen.

Die eine geht von der Weser ab bei der Furt von Sebbenhausen unterhalb Nienburg, dann auf dem schon im 8.Jahrh. erwähnten ‘Volkweg’ an die Hunte bei Büren und von da über die Kloppenburger Geest, und den Rücken des Hümling an die Ems bei Landegg, wo sie am andern Ufer in den Resten der pontes longi sich fortsetzt. Die zweite Strasse verlässt die Weser bei Minden, geht über Lübbeke, Preussisch Oldendorf , Wittlage nach Bramsche an die Hase, von wo dann die Ems auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann. Dieser Weg hält sich am Fuss der genannten Bergkette, welchen ‘von der Weser bis zur Hase wie eine lange Mauer’ fast geradlinig sich hinzieht ‘und einem Heer den Weg selbst zu zeigen scheint’.

Nördlich ist dieser Weg selbst jetzt noch, trotz starker Entwässerung, in seiner ganzen Ausdehnung von Brüchen und Mooren begrenzt. Den ganzen Weg selber bildet ‘ein bald engerer, bald breiterer ‘Streifen festen Diluvialbodens, ganz geeignet für eine ‘Völkerstrasse, in früherer Zeit auch als solche benutzt’.

Insbesonderheit bei dem Gute Barenau, zwischen Venne und Engter, wo der Kalkrieser Berg in einem Dreiecknach Norden vorspringt, verengt sich der Weg zwischen diesem und dem Moore so, dass ein förmlicher Engpass entsteht; die militärische Bedeutung dieser Position hat schon Justus Möser mit richtigem Blick erkannt. Da die Überlieferung weder das Marschziel des Varus nennt noch uns Aufschluss giebt, auf welche Weise er von dort den Rhein zu erreichen gedachte, so kann nicht von vornherein die erste Marschlinie von Nienburg zur Ems als ausgeschlossen gelten; aber unzweifelhaft entspricht die zweite von Minden nach Bramsche allen geforderten Bedingungen, und es ist ein Beweis für Arminius militärisches Geschick, dass er die römische Armee eben in dieses gefährliche Defile zu bringen gewusst hat, dessen Gleichen selbst in diesem schwierigen Terrain kaum gefunden werden wird".

Aus: MOMMSEN, Theodor: Die Örtlichkeit der Varusschlacht (Berlin 1885).



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