Quellen zur Varusschlacht

Der Grabstein des M. Caelius

Grabstein des M. CaeliusDer Grabstein ist in mehrfacher Hinsicht von großer historischer Bedeutung. Er stellt bis heute den einzigen epigraphischen Beleg für die Niederlage des P. Quinctilius Varus dar. Diese erfolgte im Jahre 9 n. Chr. in einer großen Schlacht gegen eine Koalition aus germanischen Stämmen unter der Führung des Cheruskerfürsten Arminius. Während der Auseinandersetzung wurden ca. 25000 römische Soldaten getötet, die Hälfte aller römischen Soldaten, die um die Zeitenwende am Rhein stationiert waren. Nachdem man lange nach dem Ort der "Schlacht im Teutoburger Wald" gesucht hatte, mehren sich inzwischen die archäologischen Belege, welche darauf hindeuten, dass sich zumindest ein Teil des Gefechts in der Nähe von Kalkriese (Landkreis Osnabrück) abgespielt hat.

Der rechts abgebildete Grabstein zierte ein sogenanntes Kenotaph, das heißt, daß an dieser Stelle des verstorbenen M. Caelius gedacht werden sollte, nicht jedoch, daß er hier notwendigerweise begraben lag. Wahrscheinlich stand er einst auf dem sogenannten Fürstenberg gegenüber der Lippe-Mündung in der Nähe der heutigen Stadt Xanten. Hier befand sich in römischer Zeit das große Militärlager Vetera castra. Später war er in dem Kloster auf dem Fürstenberg vermauert, bevor er nach Kleve kam und Prinz Moritz von Nassau-Oranien, der Statthalter der Niederlande, ihn in seinem Grabmal verwenden wollte. Literarische Erwähnung findet der Stein seit dem Jahre 1630.

Das Denkmal zeigt im Reliefbild einen römischen Soldaten, der rechts und links von zwei weiteren Personen flankiert wird. Die Inschrift in dem vertieften Feld lautet:


M(arco) Caelio T(iti) f(ilio) Lem(onia tribu) Bon(onia)
[I] o(rdini) leg(ionis) XIIX ann(orum) LIII
[ce]cidit bello Variano ossa
[i]nferre licebit P(ublius) Caelius T(iti) f(ilius)
Lem(onia tribu) frater fecit



Die Übersetzung lautet:

"Für Marcus Caelius, Sohn des Titus, aus dem Stimmbezirk Lemonia, aus Bologna, Zenturio der 1. Kohorte der 18. Legion, 53 Jahre alt. Er ist gefallen im varianischen Krieg. Es wird erlaubt sein, (seine) Gebeine hier zu bestatten. Publius Caelius, der Sohn des Titus, aus dem Stimmbezirk Lemonia, sein Bruder, hat (diesen Stein) gemacht."


Im Reliefbild sind zwei weitere Inschriften zu erkennen:


M(arcus) Caelius       M(arcus) Caelius
M(arci) l(ibertus)       M(arci) l(ibertus)
Privatus                   Thiaminus



Die Übersetzung lautet:

"Marcus Caelius Privatus, der Freigelassene des Marcus (Caelius)"

"Marcus Caelius Thiaminus, der Freigelassene des Marcus (Caelius)"


Nach dieser Inschrift handelt es sich hier um das Grabmal des Marcus Caelius, dem Sohn des Titus Caelius. Wie es in der frühen römischen Kaiserzeit üblich war, führt M. Caelius noch kein Cognomen (Beinamen). Dieses passt zu der frühen Datierung der Inschrift, die auch durch das bellum Varianum in der 3. Zeile der Inschrift gegeben ist. M. Caelius war als römischer Bürger abstimmungsberechtigt im Stimmbezirk Lemonia und stammte aus dem heutigen Bologna in Oberitalien, das zu dieser Tribus, also zu diesem Stimmbezirk, gehörte.

Er diente als Zenturio, also als Hauptmann, Befehlshaber einer Zenturie, in der 1. Kohorte der 18. Legion. Eine Zenturie umfasste ca. 80-100 Soldaten, während eine Legion, die in zehn Kohorten (jeweils sechs Zenturien) unterteilt war, ca. 6000 Soldaten Sollstärke hatte. Die erste Kohorte einer jeden Legion bestand allerdings nur aus fünf Zenturien, welche doppelt so stark waren, also aus ca. 160-200 Mann bestanden. Eine solche Zenturie befehligte Caelius.

Da es sich um einen Kenotaph handelt und die sterblichen Überreste des Gefallenen offenbar noch nicht vom Schlachtfeld geborgen werden konnten, hat der Bruder des Marcus mit Namen Publius Caelius, der ebenfalls dem Stimmbezirk Lemonia angehörte, bestimmt, daß die Gebeine seines Bruders hier bestattet werden sollen. Publius sorgte auch für die Errichtung des Grabsteines.

Versehentlich hat der Steinmetz am Ende der 4. Zeile ein E anstelle des richtigen F gemeißelt. Viele Worte der Inschrift sind darüber hinaus durch hederae, Worttrenner in Form von kleinen Efeublättern, abgeteilt.

Neben den leiblichen Brüdern erwähnt der Stein als weitere Personen die beiden Freigelassenen des Marcus, nämlich M. Caelius Privatus und M. Caelius Thiaminus. Während sie noch als Sklaven dem M. Caelius dienten, lauteten ihre Rufnamen lediglich Privatus und Thiaminus. Nach ihrer Freilassung erhielten sie die volle Dreinamigkeit, die römische tria nomina, mit dem Vor- und Familiennamen ihres einstigen Dienstherren Marcus Caelius. Als Zunamen fügten sie diesen ihre eigentlichen Namen - Privatus und Thiaminus - hinzu. Während Privatus ein römischer "Allerweltsname" ist, stammt der Name Thiaminus wie viele Sklavennamen wohl aus dem griechischsprachigen Osten des Imperium Romanum, was nicht bedeuten muss, dass Thiaminus auch von dorther stammte.

Daß die 18. Legion, in der M. Caelius als Hauptmann diente, im Krieg des Varus unterging, können wir nur aus dieser Inschrift erschließen. Mit ihr zusammen sind auch die 17. und die 19. Legion sowie zahlreiche Hilfstruppenkontingente durch Arminius und die Germanen vernichtet worden. M. Caelius muss nicht unbedingt in der "Varusschlacht" gefallen sein, sondern kann auch bei einem anderen Gefecht im zeitlichen Umfeld der Hauptauseinandersetzung von 9 n. Chr. getötet worden sein. Unklar bleibt bisher immer noch, wo die 18. Legion zu dieser Zeit stationiert war. Da der Grabstein des M. Caelius bei Vetera in der Nähe von Xanten am Niederrhein gefunden worden ist, kann man vermuten, daß sie im Jahre 9 n. Chr. ihr Standquartier in diesem großen Basislager hatte.

Der Grabstein ist auch in kunsthistorischer Hinsicht von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung. Er steht ganz am Anfang der Grabmalplastik im römischen Deutschland, und seine Ausgestaltung deutet auf starke Einflüsse aus Oberitalien hin.

In der so genannten aedicula (Tempelchen) sind drei Figuren zu erkennen, von denen die mittlere besonders betont und hervorgehoben ist. Das Reliefbild wird rechts und links von sogenannten Pilastern begrenzt und oben durch einen prächtig ausgetatteten Giebel, der von einem Akanthuskelch mit Blütenranken geschmückt ist. Darüber kann man zwei Wellenbänder erkennen. Diese Verzierungen zeigen Ähnlichkeiten mit denen des Friedensaltars von Kaiser Augustus in Rom. Während im mittleren Teil in einer sogenannten tabula ansata, einem vertieften Feld, die Inschrift für den Gefallenen zu lesen ist, wird das Oberteil völlig von der plastischen Darstellung dreier Personen beherrscht, von denen diejenige des M. Caelius besonders betont ist.

Er wir hier offenbar in sitzender Stellung wiedergegeben und ist geschützt durch einen Lederpanzer (lorica), der sich an den Armen und am Unterkörper durch Lederstreifen fortsetzt. Darunter wird zum Teil an den Armen und am Halsansatz seine Tunica sichtbar. Der rechte Unterarm ist stark angewinkelt, und die Hand umfasst einen langen Stock, die so genannte vitis. Sie stellt das typische Erkennungszeichen eines römischen Zenturios dar, ein Züchtigungsinstrument, womit er gelegentlich auf die Soldaten einprügelte und sie zu Ordnung und Disziplin maßregelte. Ihr Ende ragt über die Inschrifttafel hinaus. Über der linken Schulter und dem linken Arm liegt in charakteristischer Weise das sogenannte sagum, der typische Mantel oder Umhang eines Soldaten.

Zu diesen Rangabzeichen trägt M. Caelius stolz seine sämtlichen militärischen Orden, die sogenannten phalerae, die an einem Riemengeflecht auf dem Brustpanzer befestigt sind. Sie zeigen verschiedene Motive wie etwa ein Medusenhaupt, zwei jugendliche Köpfe mit Efeukranz und einen Löwenkopf. Dazu hat er an den Handgelenken jeweils eine armilla, einen Armreifen, angelegt. Auf dem Kopf trägt er stolz eine corona civica, ein militärisches Ehrenabzeichen, das er für die Errettung eines römischen Bürgers erhalten hat. Ferner sind an den Schulterriemen zwei Torques befestigt, die von Stoffschlaufen an Löwenkopfscheiben gehalten werden, die möglicherweise zwei weitere phalerae darstellen.

Links und rechts von M. Caelius kann man als Büsten die Porträts seine beiden Freigelassenen erkennen, die auf Postamenten stehen. Diese Postamente enthalten ihre Namen. Die Frage, ob sie zusammen mit M. Caelius im Varianischen Krieg getötet worden sind und an dieser Stelle gleichfalls begraben werden sollten bzw. begraben worden sind, sofern sie sich nicht bei ihrem ehemaligen Herrn befanden, läßt sich nicht beantworten.



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